Der Engel mit einem Flügel.
The angel with one wing.
Es war einmal …. so fängt doch fast jedes Märchen an.
Es war einmal ein etwas älterer Herr, der am Heiligen Abend durch die dunklen Gassen einer Kleinstadt ging. Hinter vielen Fenstern sah er die hellen Lichter der Weihnachtsbäume und schemenhaft die Gestalten der Menschen, die sich fröhlich umarmten, sangen und Geschenke auspackten.
Der ältere Herr war ein wenig traurig, denn er wusste nicht so recht, wohin er gehen sollte. In der Hand hielt er eine kleine Tasche mit einem Geschenk. Er hatte ein teures Parfum gekauft, aber wem sollte er es schenken? Er hatte keine Verwandten mehr und die Freunde hatten sich auch von ihm abgewandt, da er nicht immer einer Meinung mit ihnen war, was den Meisten nicht gefiel.
Im Himmel hatte ein hübscher Engel fast die gleichen Probleme. Er konnte sich einfach nicht so richtig unterordnen und verstieß öfter mal gegen die dort immer noch herrschenden verstaubten Regeln. So kam es, dass er am Heiligen Abend mit einem anderen, noch dazu sehr rauflustigen Engel aneinander geriet. Es kam, wie es kommen musste. Der hübsche schlanke Engel unterlag dem Raufbold und verlor dabei einen Flügel. Er war ganz entsetzt, denn die himmlischen Gesetze besagten, dass ein Engel, der einen oder beide Flügel verloren hat, nicht mehr im Himmel bleiben darf. Kurzerhand wurde er von den anderen Engeln zum Himmelstor hinaus geschubst und so trudelte er, mit dem einen Flügel, ganz langsam aber unaufhaltsam immer weiter hinab zur Erde. Der Engel hatte große Mühe, gegen den starken Wind zu kämpfen und jetzt hatte es auch noch angefangen zu schneien. So passierte es, dass er nach einem langen Kampf gegen die Witterung, dem älteren Herrn direkt vor die Füße purzelte. Der war einen Moment lang sichtlich erschrocken, doch dann reichte er dem vor ihm liegenden Engel die Hand und half ihm auf die Füße. Beide schauten sich ein Weile neugierig und aufmerksam an. Der ältere Herr sah, dass der Engel nackte Füße hatte und natürlich in dem dünnen Engelskleidchen entsetzlich fror. Schnell zog er seinen Mantel aus und legte ihn dem frierenden Engel um die Schultern.
Es war nicht mehr sehr weit zur Wohnung des Mannes und da er noch fit und kräftig war, nahm er den schlanken Engel kurzerhand auf den Arm und ging mit ihm schnellen Schrittes auf seine Wohnung zu. Dort angekommen, schloss er die Tür auf und setzte den Engel wieder auf seine Füße. Der freute sich, dass es in der Wohnung so schön warm war, rannte gleich zum Kamin, um sich dort aufzuwärmen.
Inzwischen hatte der Mann einen Tee gekocht und beide setzten sich an den Tisch und schlürften genüsslich das wohlschmeckende Getränk.
Der ältere Mann war nun doch ein wenig erschöpft und schlief für ein Weilchen auf seinem bequemen Stuhl ein.
Inzwischen machte sich der Engel nützlich und bereitete in der Küche ein wahres Weihnachtsfestmahl zu. Wenn der Engel im Himmel auch nicht viel gelernt hatte, aber kochen konnte er hervorragend und ein wundervoller Geruch zog bald durch die ganze Wohnung. Als der Herr wieder wach wurde, hatte der Engel bereits den Tisch festlich gedeckt und beide machten sich über die Leckereien her. Der Engel war so fröhlich und plapperte ununterbrochen und der ältere Herr hatte seine helle Freude daran. So unterhielten sie sich einige Stunden lang, aßen und tranken dabei und hatten den schönsten Heiligen Abend seit langer Zeit. Nun wusste der ältere Herr auch, wem er das Parfum schenken konnte. Er gab es dem hübschen Engel und der freute sich so sehr darüber und führte einen wahren Freudentanz auf.
Irgendwann wurde der ältere Herr müde und wollte sich in sein Schlafzimmer zurückziehen. Zuvor fragte er den Engel aber noch nach seinem Namen und der antwortete: „Ich bin der Engel Seraphina“.
Als der ältere Herr verschwunden war, machte sich der Engel daran, den Tisch abzuräumen, abzuwaschen und die Küche aufzuräumen, so dass hinterher alles blitzblank und sauber war.
Auf einmal fasste der Engel sich an den Rücken und zu seiner Freude bemerkte er, dass er plötzlich wieder zwei Flügel hatte. Oh, wie er sich da freute. Er hatte dem älteren Herrn einen wunderschönen Heiligen Abend beschert und dafür wurde er jetzt belohnt. So stand es in den alten Satzungen des Himmels geschrieben.
Schnell verließ der Engel das Haus. Zuerst noch ein wenig unsicher, ob die beiden Flügel ihn auch tragen würden, flog er dann schnell und mit seiner angeborenen Leichtigkeit zurück in den Himmel, wo er schon freudig erwartet wurde.
Als der ältere Herr am nächsten Morgen erwachte, wollte er nach seinem Engel schauen, aber der war nicht mehr da. Alles sah aus wie immer, aber er erinnerte sich mit freudigem Herzen an seinen Besuch am Heiligen Abend. Auf einmal war er sich aber nicht mehr so sicher, ob er das Ganze vielleicht nur geträumt hatte. Er war sich aber sicher, dass er seinen hübschen Engel bald wiedersehen würde und sei es auch nur im Traum.
Heute war nun Weihnachten und er klingelte bei seinen Nachbarn, um ihnen ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Die waren sehr erfreut darüber und baten ihn herein. Da es schon fast Mittag war, luden sie ihn ein, mit ihnen zu Essen, was er gerne annahm. So wurde es doch noch ein wundervolles und unvergessliches Weihnachtsfest.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Leonie
Once upon a time... that's how almost every fairy tale begins.
Once upon a time there was an older gentleman who was walking through the dark alleys of a small town on Christmas Eve. Behind many windows he saw the bright lights of the Christmas trees and the shadowy figures of people happily hugging each other, singing and unwrapping presents.
The older gentleman was a little sad because he didn't really know where to go. In his hand he was holding a small bag with a present. He had bought an expensive perfume, but whom should he give it to? He no longer had any relatives and his friends had also turned away from him because he didn't always agree with them, which most of them didn't like.
In heaven a pretty angel had almost the same problems. He just couldn't really submit himself and often broke the dusty rules that still prevail there. So it happened that on Christmas Eve he got into an argument with another angel, a very pugnacious one at that. It happened as it had to. The pretty, slim angel was defeated by the bully and lost one of his wings. He was horrified, because the heavenly laws stated that an angel who had lost one or both wings was no longer allowed to stay in heaven. Without further ado, the other angels pushed him out of the gates of heaven and so he tumbled, with one wing, slowly but inexorably further down to earth. The angel had great difficulty fighting against the strong wind and now it had also started to snow. So it happened that after a long battle against the weather, he tumbled right in front of the older gentleman's feet. The latter was visibly frightened for a moment, but then he reached out his hand to the angel lying in front of him and helped him to his feet. Both looked at each other curiously and attentively for a while. The older gentleman saw that the angel had bare feet and was of course terribly cold in the thin angel dress. He quickly took off his coat and put it around the freezing angel's shoulders.
It was not very far to the man's apartment and since he was still fit and strong, he picked up the slim angel and walked briskly towards his apartment. When he got there, he unlocked the door and put the angel back on his feet. The angel was happy that it was so warm in the apartment and ran straight to the fireplace to warm himself up.
In the meantime, the man had made some tea and they both sat down at the table and sipped the delicious drink with relish.
The older man was now a little exhausted and fell asleep for a while on his comfortable chair.
In the meantime, the angel made himself useful and prepared a real Christmas feast in the kitchen. Even though the angel had not learned much in heaven, he was an excellent cook and a wonderful smell soon filled the whole apartment. When the man woke up again, the angel had already set the table festively and they both dug into the delicacies. The angel was so happy and chattered non-stop and the older man was delighted. They talked for several hours, ate and drank and had the best Christmas Eve in a long time. Now the older man knew who he could give the perfume to. He gave it to the pretty angel and the angel was so happy about it and did a real dance of joy.
At some point the older man got tired and wanted to go back to his bedroom. Before he did that, however, he asked the angel his name and the angel answered: "I am the angel Seraphina".
When the older man had disappeared, the angel set about clearing the table, washing up and tidying up the kitchen so that everything was sparkling clean afterwards.
Suddenly the angel touched his back and to his delight he noticed that he suddenly had two wings again. Oh, how happy he was. He had given the older man a wonderful Christmas Eve and now he was being rewarded for it. This is what was written in the old statutes of heaven.
The angel quickly left the house. At first a little unsure whether the two wings would carry him, he then flew quickly and with his innate lightness back to heaven, where he was already eagerly awaited.
When the elderly gentleman woke up the next morning, he wanted to look for his angel, but he was no longer there. Everything looked as it always had, but he remembered his visit on Christmas Eve with joy. Suddenly, however, he was no longer so sure whether he had perhaps only dreamed the whole thing. But he was sure that he would soon see his pretty angel again, even if only in a dream.
Today was Christmas and he rang his neighbors' doorbell to wish them a merry Christmas. They were very pleased and asked him to come in. Since it was almost noon, they invited him to eat with them, which he gladly accepted. So it was a wonderful and unforgettable Christmas after all.
And if they didn't die, they are still alive today.
Leonie