Photo: Bleiglasfenster in der Evangelischen Heilig-Geist-Kirche in Wiesbaden-Biebrich, Hessen
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Welch' falsches Wissen trennte Jesu Glieder
1.) Welch' falsches Wissen trennte Jesu Glieder
Die Sünderschaft bracht' uns zur Eintracht wieder.
2.) Das Kreuz, dran Gottes Sohn zu Tod gepeinigt,
Hat selig als Geschwister uns vereinigt.
3.) Preis dir - o Lamm! - Seitdem gehn unsre Pfade
Im Segen durch's Verdienst der blut'gen Gnade.
4.) Ein sichrer Weg ist uns hiedurch gegeben,
Dass Keines mehr muss in der Wüste leben.
5.) Wir leben durch dein heiliges Versühnen
Und haben Kraft und Freiheit, Dir zu dienen.
6.) Und führst Du gleich dein Schifflein ganz alleine,
So sind wir doch Gehilfen der Gemeine.
7.) Zu diesem Werk, zu diesem sel'gen Ende
Sei Du ein Salb-Öl uns auf Haupt und Hände!
8.) Gib immerdar uns sehensvolle Lippen,
Und überfliege mit uns alle Klippen!
9.) Dabei soll immer in des Herzens Grunde
Ein Fünklein sein, - ein Strahl der Seitenwunde!
10.) Weil Dir's gefallen, uns umher zu senden,
So leit uns fest an deinen treuen Händen.
11.) Dein Blut, das unsern Tod im Sieg verschlungen,
Das hilft uns durch, bis uns dein Werk gelungen.
12.) Vermehre die Erkenntnis deiner Liebe
Und lass im Wachstum stehn die Glaubenstriebe!
13.) Wir zählen unser Leben nicht nach Jahren,
Doch weißt Du deine Diener aufzusparen.
14.) O gingen immer wir in e i n e r Treue! -
Hierzu, du Treuer, segne uns auf's neue!
15.) Heil jedem, der, trotz Wissen, Tun und Lesen,
In deinem teuren Blute lernt genesen!
16.) Herr, d i e s e Kraft lass in den Währungszeiten (a)
Uns üerall zum Preise Dir verbreiten,
17.) Damit die uns geschenkten muntern Kehlen
Von nichts, als d e i n e r Wunderkraft erzählen!
18.) Und gibt es bei dem Arbeitsfleiße Schmerzen,
So gib Du uns dazu vergnügte Herzen.
19.) Lass uns von nichts, als deiner Liebe reden,
Die Ohren mache treu von allen Schäden.
20.) Mach Du uns durch dein Blut nur zu Gesunden,
So sehn und heilen wir auch andre Wunden!
21.) Dann weiß man nichts zu sagen und zu denken,
Als dass man sich lässt größre Freiheit schenken.
22.) Man schreitet, in Bedeckung deiner Fahnen,
Durch alle Schwierigkeite der rauen Bahnen.
23.) Das Los ist uns gefallen auf das Beste,
Denn wir sind Dein! - O bind uns ewig feste!
24.) Wer selig je zu Füßen Dir gesessen,
Wird Deiner lebenslang nicht mehr vergessen.
25.) Erhalt uns unsre Kraft und Augen munter,
Kommt Wermut, Herr, - so mische Honig drunter!
26.) Weil wir für Dich in diese Welt geboren,
So geht kein Werk, das Du gebietst, verloren. -
27.) So schwören wir nun zu dem Gotteslamme,
Das sich geopfert in der Kreuzesflamme!
28.) Wir opfern Dir uns, bleiben deine Beute, (b)
Und dieser Vorsatz ist nicht erst von heute.
29.) In dem Sinn hast Du bisher uns erhalten, -
Belieb' in unsern Dingen fortzuwalten!
(a) Bewährungszeit, d.i. das irdische Leben
(b) dein Besitz
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Autor: Nikolaus Ludwig von Zinzendorf
Melodie: ohne Angaben
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gefunden in:
Geistliche Gedichte des
[Nikolaus Ludwig] Grafen von Zinzendorf
gesammelt und gesichtet von Albert Knapp
J.G. Cotta'scher Verlag
Stuttgart und Tübingen, 1845
Thema: Geistliche Volkslieder
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Reichsgraf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und Pottendorf, (* 26. Mai 1700 in Dresden/Kurfürstentum Sachsen; † 9. Mai 1760 in Herrnhut) war ein lutherisch-pietistischer Theologe und Lieddichter. Zinzendorf war der Sohn von Georg Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf und Pottendorf (1662–1700) und Charlotte Justine von Gersdorff (1675–1763). Der berühmte evangelische Theologe Philipp Jacob Spener (1635-1705) war sein Taufpate. Zinzendorfs Vater verstarb früh; worauf der Sohn in Großhennersdorf in der Oberlausitz bei seiner frommen Großmutter, Henriette Katharina von Gersdorff (1648-1726), lebte. Er besuchte in den Jahren zwischen 1710 und 1715 das Pädagogium der Franckeschen Stiftungen in Halle, wo seine Neigung zum Pietismus verstärkt wurde. Zinzendorf immatrikulierte sich im Jahr 1716 an der Universität in Wittenberg, um Rechtswissenschaften zu studieren und unternahm von 1719 bis 1720 Bildungsreisen in die Niederlande und nach Frankreich. Von 1721 bis 1732 war er Hof- und Justizrat in Diensten Friedrich August I. von Sachsen (1670-1733) in Dresden, heiratete 1722 Erdmuthe Dorothea Gräfin Reuß-Ebersdorf (1700-1756) und übernahm 1722 von seiner Großmutter das Rittergut Mittelberthelsdorf am Hutberg in der Oberlausitz, das er für Glaubensflüchtlinge aus Mähren, Nachkommen der böhmisch-mährischen Brüder, öffnete. Diese gründeten die unterhalb des Hutbergs gelegene Siedlung Herrnhut, aus der die kirchlich eigenständige Brüdergemeine erwuchs. Seit 1731 wurden dort die bis heute in Buchform jährlich veröffentlichten 'Herrnhuter Losungen' herausgegeben, wobei die ermittelte Bibelverse ausgelost werden und als Leitgedanken für jeden Tag dienen. 1731 brachte Zinzendorf einen westindischen Sklaven von Kopenhagen nach Herrnhut. Dessen Berichte von St. Thomas motivierten die Gemeinde zur Missionsarbeit, die ab 1732 in Amerika und Afrika Menschen zum christlichen Glauben führte. Im Jahr 1734 erfuhr Zinzendorf die Ehre, als lutherischer Theologe ordiniert zu werden; bereits zwei Jahre später aber wurde er aus Sachsen verbannt, worauf er in die Wetterau in Hessen ging und dort die Gemeinden Marienborn, Burg Ronneburg und Herrnhaag gründete. 1737 wurde Zinzendorf durch den reformierten Hofprediger Daniel Ernst Jablonski, der zugleich Bischof der polnischen Brüder-Unität war, in Berlin zum Brüderbischof ordiniert. In den folgenden Jahren unternahm Zinzendorf Reisen als Prediger in die Ostseeprovinzen, nach England, Nordamerika, auf die Westindischen Inseln und Saint Thomas. Als ihm 1747 die Rückkehr nach Sachsen gestattet wurde, gelang es ihm, für die Herrnhuter Brüdergemeine die Freiheit der Verkündigung und die Tolerierung als Gemeinde zu erreichen und integrierte sie im Gegenzug in die lutherische sächsische Landeskirche. Von 1750 an lebte Zinzendorf meistens in London, ab 1755 in Berthelsdorf. Nach dem Tod seiner Frau Erdmuthe Dorothea, heiratete Zinzendorf einige Zeit später seine enge Mitarbeiterin Anna Nitschmann (1715-1760). Zinzendorf ist der Autor von annähernd 2000 geistlichen Liedern, von denen über 800 in die Gesangbücher der Brüdergemeine, aber auch in die der Landeskirchen aufgenommen wurden. Im Evangelischen Gesangbuch (EG) von 1993 stehen fünf seiner Lieder; das bekannteste ist das Christuslied 'Jesu, geh voran auf der Lebensbahn'. Das sog. 'Kleine Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeine' aus dem Jahr 1870 enthält 301 Lieder von Zinzendorf, die er gänzlich verfasst oder zu denen er einzelne Strophen beigetragen hat. Eine Sammlung seiner geistlichen Lieder erschien im Jahr 1845 in Stuttgart und Tübingen.
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