Photo: Eduardo Paolozzi: Vulcan, 1999, im Yorkshire Sculpture Park in West Bretton, Wakefield, in West Yorkshire, England
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Seele, warum plagst du dich
1.) Seele, warum plagst du dich
Mit so schweren Zentnersorgen,
Und quälst dich recht jämmerlich
Von dem Abend bis zum Morgen?
Warum denkst du immerzu
Darauf, was dir nimmt die Ruh'?
2.) Häng nicht den Gedanken nach,
Womit Satan dich zu fangen
Willens hat und deine Sach'
Zu verderben mit Verlangen.
Lerne kennen seine Tück',
Dich im Geist dagegen schick!
3.) Was ist's, das dein Herze nagt,
Das dir stets im Sinne lieget?
Wisse, dass Gott selber fragt,
Der gewiss dich nicht betrüget.
Suchest du das höchste Gut
Oder ist zur Welt dein Mut?
4.) Denkest du an deine Sünd',
Wie du Gott so oft betrübet,
Sprichst du: Ach, dass ich nur künd
Den, der mich so sehr geliebet!
Glaube, d i e s e Reu' und Leid
Wird gebären Fröhlichkeit.
5.) Aber, wenn du deinen Sinn
Hast gekehrt zu dieser Erden.
Meinest, das sei ein Gewinn,
Wenn man reich und groß kann werden.
Armer Mensch, was Wunder ist,
Dass dich fället Satans List?
6.) Hast du nicht genug an Gott?
Und willst noch zur Welt hin laufen?
Ist es nicht recht Schand' und Spott,
Anstatt Weins die Pfützen saufen?
Wer Gott hat, ist der nicht reich,
Groß, und allen Engeln gleich.
7.) Ach, ja freilich denkt mein Herz,
Das ist wahr und hoch zu schätzen,
Aber gleichwohl mancher Schmerz
Pfleget mich sehr zu verletzen,
Wenn ich leide Satans Pfeil,
Die er schießt in schneller Eil'.
8.) Gerne wollt ich ruhig sein,
Und nach Gott alleine streben.
Siehe, so kommt meine Pein,
Und beschweret mir das Leben.
Obgleich Satan durch sein Spiel
Mir es süße machen will.
9.) Nun denn, Seele, sei gefasst
In Gott, der dies hat verhänget!
Denk: Nach Arbeit komme Rast,
Ob der Feind dich gleich jetzt dränget.
Dies ist deine Prüfestund',
Halt aus, Gott macht dich gesund.
10.) Nun verleihe mir Geduld,
Liebster Vater, stärk mich Schwachen,
Schenk mir deine Gnad' und Huld:
Ich glaub, du wirst's noch wohl machen.
Gib mir nur ein selig' End'
Und nimm' mich in deine Händ'.
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Autor: Johannes Tribbechow
Melodie: Guter Hirte willst du nicht
oder: Jesus lebt, mit ihm auch ich
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Johann Anastatasii Freylinghausen
Geistreiches Gesang=Buch, den Kern
alter und neuer Lieder in sich haltend
Herausgegeben von Gotthilf August Francke
gedruckt in Halle, 1741
Im Verlag des Waisenhauses
Liednummer 1064
Thema: Gottvertrauen, Kreuz und Trost
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Johannes Tribbechow, latinisiert Tribbechovius (* 4. Oktober 1677 in Gotha/Herzogtum Sachsen-Gotha, † 31. März 1712 in Tennstedt/Kurfürstentum Sachsen) war evangelisch-lutherischer Pfarrer und geistlicher Lieddichter pietistischer Richtung. Er wurde als Sohn des Generalsuperintendenten Adam Tribbechow (1641-1687) und Sophie Elisabeth, geb. Gießbach, geboren und besuchte das Gymnasium seiner Geburtsstadt. Er immatrikulierte sich im Jahr 1694 an der Universität in Halle/Saale, wo er philosophische und theologische Vorlesungen hörte und sich unter dem Einfluss der Professoren Paul Anton (1661-1730), Joachim Justus Breithaupt (1658-1732) und August Hermann Francke (1663-1727) der pietistischen Richtung seiner Konfession zuwandte. Ab 1698 setzte er seine Studien in Jena fort, erwarb den Magistertitel, wurde 1699 Adjunkt der philosophischen Fakultät und entwickelte überdies eine eifrige literarische Tätigkeit. Er legte 1698 seine Dissertation vor und habilitierte sich im Jahr 1699. In Halle berief man ihn 1705 zum außerordentlichen Professor der Philosophie und zum Adjunkten der theologischen Fakultät. Vor angeschlagener Gesundheit verließ er den Lehrbetrieb und übernahm 1707 das Amt eines Hofpredigers und Beichtvaters beim Prinzen Georg von Dänemark, dem Gemahle der Königin Anna von Großbritannien, der er nach Großbritannien folgte. In ihrem Auftrage bearbeitete er ein Gebetbuch für die zerstreuten Pfälzer Gemeinden und versah es mit einer ausführlichen Vorrede. Aus London zurückgekehrt, verstärkten sich seine gesundheitlichen Probleme, insbesondere traten Depressionen auf. Unter diesen Umständen ist erklärlich, dass der hochgebildete und anerkannte Theologe niemals heiratete. Er verfasste einige wenige geistliche Lieder von hoher Qualität, die sofort Aufnahme in Gesangbücher und Liedersammlungen fanden.
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