"Whitney Houston starb ja kurz bevor dieser Joker im Kino auf die Menschen schoss." erzählt Shashaa weiter. "Ich sah sie wie eine große Schwester. Sie hatte einen Ehemann, Bobby Brown, das war genauso ein Typ wie mein Vater. Schwester im Leiden. Und ich fing an, alle ihre Songs mitzusingen. Die gab es auf YouTube, auf Mursals Computer. Viele ihrer Songs konnte ich bald auswendig.
Dann, ein paar Jahre später, ich war so 14, 15, ging ich raus, nicht weit von uns, Downtown Minneapolis, gab es eine Karaoke Bar. Ich war professional geschminkt, und niemand fragte mich nach meinem Alter. Natürlich durfte ich das nicht, aber Mursal verschaffte mir die Alibis dafür.
Mursal hat den Vater irgendwie erpresst. Er sagte, er weiß alles über Vaters komischen Freund Ali, den Drogendealer und seine Gang, und er braucht bloß zur Polizei zu gehen… Der Vater lachte, aber er ließ Mursal fortan in Ruhe, sagte: "Du bist erwachsen, leb dein eigenes Leben."
Übrigens, Abdi, dieser Ali kam auch aus dem Dadaab Camp."
"Das heißt gar nichts." sagt Abdi. "Was glaubst du, wieviele Alis es in Dadaab gibt?"
"Ja, ich wollte das nur mal sagen." sagt Shashaa. "Ich sang also Karaoke in der Bar, natürlich Whitney Houston, aber auch Beyoncé, Mariah Carey, Alicia Keys, Christina Aguilera, Rihanna und so. Die Leute wurden meistens still und hörten aufmerksam zu, und hinterher bekam ich viel Applaus.
Die hatten da auch eine Bühne und manchmal eine Live Band, nicht nur Karaoke. Ich kam auf die Idee "I will always love you" auf der Bühne zu singen, ohne das Playback von Karaoke. Der Song beginnt ja a Capella, und in der Bar wurde es ganz still und alle guckten auf mich. Die von der Band spielten dann mit, erst der Mann am Piano, dann der Rest.
Das war ein großartiges Gefühl, und ich sagte mir, ich kann etwas, ich habe Talent, auch wenn mein Vater etwas anderes behauptet.
Hinterher bin ich dann aber immer verschwunden, so wie Cinderella von dem Ball. Du musst vor Mitternacht zuhause sein! Niemand wusste meinen Namen, niemand wusste, wer ich bin.
Dabei bedrängte mich der Bar-Besitzer, er wollte mich fest anstellen, so dass ich da jeden Abend singe, und er wollte mich auch anständig bezahlen. Aber wie? Ich war doch minderjährig und ich konnte ja auch nicht regelmäßig kommen. Nur mit Mursals Hilfe.
Dann wurde ich von einen Typen angesprochen, der bot mir einen Plattenvertrag. Wow. Aber half ja nix, mir blieb nichts anderes über, als in der Dunkelheit zu verschwinden, wie immer. Und der war echt hartnäckig, verfolgte mich, und ich sprang über Mauern, lief durch Hinterhöfe, um ihn abzuschütteln.
Eines Tages, die Schule war aus, und ich stand noch mit meinen Freundinnen draußen am Tor, da tauchte er auf. Auf der anderen Straßenseite und winkte. Ich ging hinüber, weil ich nicht wollte, dass er mich vor meinen Freundinnen anspricht.
"Wusste ich's doch!" sagte er. "Du bist minderjährig!"
Er hatte schon mehrere Schulen in der Gegend abgeklappert. Er sagte, das Problem kann man doch lösen, er redet mit meinen Eltern.
"Nee, bloß nicht!" sagte ich. Und ich musste erzählen, wie es bei uns zuhause zugeht.
Ich mochte ihn und es war auch eine Wohltat, dass mal jemand mir wirklich zuhört. Er heißt Steve und er ist heute noch mein Produzent."
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