Sahra Wagenknecht in Schöneberg: „Kriegsnarren“ sitzen im Kabinett

Kundgebung „Wir fordern: Heizung, Brot und Frieden!“ mit Sahra Wagenknecht
Zum 19. Januar 2023 hatte DIE LINKE Tempelhof-Schöneberg zu einer Kundgebung mit Sahra Wagenknecht aufgerufen.
"Wir fordern Heizung, Brot und Frieden", verkündete ein paar Tage zuvor Alexander King (DIE LINKE) auf seiner Facebook-Seite. King ist u.a. in der Sammlungsbewegung "aufstehen" von Sahra Wagenknecht in Berlin vertreten. Auch Stefan Natke von der DKP Berlin war vor Ort.

Gekommen waren am kalten Donnerstagabend nur ca. 300 Teilnehmende, um auf dem Marktplatz in der Crellestraße in Berlin-Schöneberg den Reden von Wagenknecht, King, aber auch von Elisabeth Wissel (Wahlkreis 2) und Friederike Benda (Wahlkreis 1) zuzuhören. Auch eine 11köpfige, kurdische Familie aus Syrien wurde samt Kindern vorgestellt, die auf der Bühne eine Dankesrede an DIE LINKE hielt. Die Berliner Zeitung schrieb sogar von nur ca. 250 Menschen. Die Bundestagsabgeordnete ist auch in der eigenen Partei umstritten, im Vorfeld der Veranstaltung hatten sich Landesmitglieder von ihrem Auftritt extrem distanziert.
Wer um die Popularität von Wagenknecht weiß, weiß ebenso, wie prall gefüllt sonst die Plätze bei jenen Veranstaltungen sind, wenn diese populistische und stark umstrittene Bundestagsabgeordnete der DIE LINKE Berlin besucht. Selbst sehe ich es daher als Flopp.

„Kriegsnarrren in der Regierung“
Die Berliner Zeitung hat die Höhepunkte der Rede Wagenknechts gut festhalten können. So schrieb diese über die abendliche Veranstaltung:
Kriege könnten nicht durch Waffenlieferungen beendet werden, sondern nur durch Verhandlungen, sagte Wagenknecht. Daran müssten sich perspektivisch auch die USA beteiligen, weil sie „direkt beteiligt“ seien am Krieg in der Ukraine. „Uns trifft es zuerst, wenn dieser Krieg sich ausbreitet“, sagte die Bundestagsabgeordnete. Davon abgesehen seien es US-amerikanische Unternehmen, die von den andauernden Kampfhandlungen in der Ukraine profitierten – die US-Rüstungsindustrie und die US-Energiekonzerne. „Und wir zahlen das mit jeder Gasrechnung, mit jeder Tankfüllung“, so die Linke-Politikerin.
Neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock sei Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine weitere „Fehlbesetzung“ im Regierungskabinett. „Der Mann hat überhaupt nur Corona im Kopf“, sagte Wagenknecht.
Kurz darauf hüstelte sie und musste sich ein Glas Wasser geben lassen. "Nur das Wetter", beruhigte sie ihre Fanbase. Lachen im Publikum.

Für die Sicherheit auf der Kundgebung sorgte von Anfang an eine Privat-Security, die mit einem Patch mit den Aufschriften: FJB und LSTR-40 "beschmückt" war. Das Luftsturmregiment 40 war eine Spezialeinheit der Fallschirmjäger in der DDR. Ein dort anwesender Fotograf von Bildwerk Rostock schrieb später dazu:
"Mit ungefähr 10 Männern dominierten sie zeitweilig den Raum um die Bühne. Schlagbereit angezogene Metallhandschuhe und Schusswesten schufen ein groteskes Bedrohungsszenario, ein an Schulterpatch einer NVA Sondereinheit, die zur Aufstandsbekämpfung in der DDR eingesetzt werden sollte, komplettierte das Bild."

Auf Transparenten des Publikums stand u.a. "Heizung, Brot + Frieden", "Sanktionen made in USA schaden Europa", "Wir können uns die Ampel nicht mehr leisten", "Wir haben die dümmste Regierung Europas", "Diplomaten schicken! Nicht Waffen!", "Bezahlbarer Alltag statt Wirtschaftskrieg", "Sahra Stimme der Vernunft" und ein Banner der DIE LINKE verkündete: "Wer Frieden will, brauch keine NATO! Stoppt Waffenexporte".
Am hinteren Ende der Kundgebung hatte -wie üblich- das Coop-Cafe (Antikriegscafe/AntikriegTV) seine Banner aufgeschlagen, die u.a. für einen "Frieden mit Russland" warben. Auch das Propaganda-Banner bzgl. Odessa wurde ausgebreitet und es wurde für die Sammlungsbewegung aufstehen geworben, in der der Inhaber vom Coop-Cafe nach eigenen Angaben selbst Mitglied ist. In jenem Cafe finden u.a. die aufstehen-Vernetzungstreffen für Berlin-Mitte statt.

Wie der Tagesspiegel zuvor mitteilte, war auch ein Gegenprotest angemeldet worden. Unter dem Motto: "Sahra lass das Schwurbeln sein" hatte die linke Antiverschwurbelte Aktion von der Polizei abgeschirmt in 50 Metern Entfernung gegen diesen Auftritt protestiert. U.a. wurde die Wagenknecht-Kundgebung von den Gegendemostranten mit "From Sarah with Love" oder mit: "Die Partei, die Partei, die hat immer Recht" ("Lied der Partei" in der DDR) bespielt, was allerdings kaum auf der Hauptveranstaltung zu vernehmen war.
Ein sehr junger Mann aus Kirgistan hatte sich mit der Ukraine solidarisiert. Er protestierte ganz allein und umhangen mit der Ukraine-Flagge ebenfalls gegen die Wagenknecht-Kundgebung. Er begab sich später, bei Abschluss der Veranstaltung, zur Antiverschwurbelten Aktion, denn die Vergangenheit hatte bereits gezeigt, das aus dem Spektrum von aufstehen auch Gewalt gegen (pro)ukrainische Aktivisten und Journalisten ausgeht.
Für das nd-aktuell (ehemals Neue Deutschland) ein Widerspruch. Laut dem dortigen Redakteur waren die Antiverschwurbelte Aktion an der "falschen Adresse".

Die Veranstaltung verlief störungsfrei.

Hintergründe
Die Antiverschwurbelte Aktion hatte sich mit Pandemiebeginn gegründet, um auf Corona-Leugner und auf Verschwörungsideologen aufmerksam zu machen. Sie selbst nennen all das: "Schwurbel". In einer Art Parodie nimmt die Antiverschwurbelte Aktion, versucht verkleidet als Echsen seit 2020 die gesamte Querszene auf den Arm und fordert u.a. einen "Echsit für Schwurbel" - angelehnt an die EXIT-Strategie, in der Rechtsextreme das Aussteigen aus der Szene ermöglicht wird.
Die sogenannten "Echsen" mussten mit Beginn des russischen Angriffskrieges jedoch feststellen, das sich rund um die Querdenker auch Teile der Friedensbewegung mischen, die nun russische Propaganda betreiben, ähnlich, wie sich dies schon ab 2014 mit dem Beginn der "Mahnwachen für den Frieden" abzeichnete. Zu jener Zeit begann der Krieg in der Ukraine. Die Antwort darauf war die Gründung jener Mahnwachen, die über Nacht aus dem Boden gestampft wurden. Damit begann die verschwörungsideologische Szene mit putinistischen Narrativen diverse Demonstrationen zu "unterwandern", zu denen von Anfang an u.a. auch das Coop-Cafe gehörte.

Das auf der Wagenknecht-Kundgebung mit der Losung "Heizung, Brot und Frieden" (HBF) geworben wurde, dürfte kein Zufall sein. Das gleichlautende Bündnis, welches in der Phase des "Heißen Herbstes" Ende 2022 gegründet wurde und von der DKP unterstützt wird, wird von aufstehen als "unser Bündnis" angesehen. Die Treffen, wie eingangs schon erwähnt, finden im Coop-Cafe statt. HBF versuchte im September, die erste, linke Protestbewegung in Berlin zu werden, in der Hoffnung, das sich dort viele Menschen anschließen werden. Die "große Massenbewegung" mit putinistischen Narrativen, die dort vertrieben werden, blieb allerdings aus.
Auch das Querspektrum wie die "Freie Linke" wurde dort immer wieder geduldet, wie man das u.a. meinem Album entnehmen kann, auch wenn HBF dies bis heute versucht abstreitet. Begleitet wurden die ersten HBF-Proteste von Ex-RT Deutsch Chefredakteur Florian Warweg, der heute als "Faktenchecker" bei den umstrittenen Nachdenkseiten tätig ist.
Das HBF auch unter Linken sehr umstritten ist, zeigte z.B. der Rauswurf von der umverteilen-Demo im November letzten Jahres anlässlich des "Solidarischen Herbstes" - statt "Heißen Herbstes". Darin sieht sich HBF bis heute als "Opfer". An jenem Tag, so schreibt es die junge Welt, war das Bündnis rund um das Coop-Cafe und der DKP auch mit der "Kommunistischen Organisation" versucht aufgetreten.
Die "Kommunistische Organisation", die einen ähnlichen Antlitz wie die "Antiimperialistische Aktion" rund um Tobias Nase (Pfennig) aufweist, forderte am 15. Januar anlässlich der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin unter anderem die Parolen: "Mali, Donbass, Gaza Stadt: Macht den Westen endlich platt!" sowie "Von Lützerath nach Gaza, Yallah Intifada!". Das Jüdische Forum berichtete neben den russischen Propagandaslogans über antisemitische Sprechchöre.

Am 20. Januar 2023 traf sich das Bündnis HBF samt aufstehen mit der aus den Mahnwachen "für den Frieden" entstandenen "Stopp Ramstein" Kampagne vor der US-Botschaft. Auf der Air Base Ramstein fand an jenem Tag ein Verteidigungsministertreffen statt, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Dagegen protestierte u.a. HBF und aufstehen. Aber nicht nur diese.
Jörg Reichel, Sprecher und Geschäftsführer der Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg schrieb am 21.1. auf Twitter dazu:
Am Freitag demonstrierte ein Bündnis aus kommunistischen, linken, rechtsoffenen, verschwörungsideologischen und rechtsradikalen Gruppen zu dem Thema „Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen“. Die Berliner #FreeAssange Bewegung ist ideologisch schon lange bei der Querfront angekommen: @DKP_Berlin @GenugGenug (HBF) @BerlinBasis (dieBasis) #AlexanderplatzWirZusammen #SvenStreek #freedomparade #FreieLinke @StoppRamstein @Berlin4Assange
Ideologisch kommt zusammen, was sich seit 2014 und den Friedensmahnwachen von links gegenüber rechten und verschwörungsideologischen Positionen geöffnet hat. Auf der Demonstration bedrohte ein rechter Aktivist einen Berichterstatter. Eine gemeinsame Bündnispolitik mit diesem Teil der #FreeAssange Bewegung kann es nicht geben.
Wer unwidersprochen gemeinsam mit Antisemiten, Verschwörungsideologen und Rechtsradikalen demonstriert, ist kein Freund der Pressefreiheit.

hinzugezogene Quellen:
www.dielinke-tempelhof-schoeneberg.de/nachrichten/detail/...
www.facebook.com/alexander.king.berlin/posts/pfbid02vpriK...
www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/trotz-scharf...
www.flickr.com/photos/145027352@N06/albums/72177720305373420
archive.fo/rDqS2/9be042dc6de469714391b9fbf04ad0047fe2c0d2...
de.wikipedia.org/wiki/Luftsturmregiment_40
www.florianboillot.com/portfolio/C0000oNCs9oMg.S0/G0000hS...
www.tagesspiegel.de/berlin/sahra-lass-das-schwurbeln-sein...
www.flickr.com/photos/sozialfotografie/albums/72177720302...
www.nd-aktuell.de/artikel/1170333.linke-wagenknecht-im-wa...
www.flickr.com/photos/sozialfotografie/albums/72177720303...
www.flickr.com/photos/sozialfotografie/albums/72177720302...
www.berliner-zeitung.de/news/linken-demo-gegen-wagenknech...
www.jungewelt.de/artikel/439476.debatte-statt-gewalt.html archive.fo/ewG1G
www.flickr.com/photos/sozialfotografie/52633528511/in/alb...
www.jfda.de/post/macht-den-westen-endlich-platt-ll-demo-b...
www.tagesschau.de/ausland/ramstein-panzer-usa-101.html
stoppramstein.de/kriegsrat-in-ramstein-nein-danke/
twitter.com/ver_jorg/status/1616909871114342402

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Vielen Dank!
Stand: Januar 2023

Taken on: January 19, 2023

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